Der Hypertext ...

Im Zusammenhang multimedialer Information und deren Bearbeitung erfährt der traditionelle Text eine Erweiterung, die durch visuelle und akustische Formen wesentlich gekennzeichnet ist. Voraussetzung ist die Ablösung des papiergebundenen Printexts durch die eher immaterielle Form digitaler Aufbereitung. Das Zauberwort heißt Multimedia.
Eine weitere wichtige Erweiterung ist durch interne und externe Verknüpfung der Textinformationen gegeben, die die gewohnte "zweidimensionale" Linearität zugunsten einer in die Tiefe gestaffelte "Dreidimensionalität" auflöst.
Der zentrale Vorteil für den Leser liegt vor allem in der bisher nicht gekannt schnellen und verdichteten Informationsvermittlung. Auf der anderen Seite ist als zentraler Mangel die Auflösung der zuvor "sicheren" Position des Lesers vor dem Text zu nennen. Dieser taucht jetzt in die "Dreidimensionalität" des Textes ein und muss sich nun selbst in ihm verorten. Dazu gehört eine gehörige Portion an Lesekompetenz, die den Aneignungsprozess zwar unerhört dynamisch macht, aber auch den Leser zugleich verunsichert und schnell überanstrengt.

Pisa

Die Ergebnisse der PISA-Studie legen ein zum Teil düsteres Licht auf die Qualität der Lesekompetenz insbesonere jüngerer Menschen in Deutschland. PISA bezieht sich auf das Verstehen von Printtexten, die ja in der Regel dem Leser durch strukturelle, argumentierende und qualitative Vorgaben erhebliches an Eigenleistung abnehmen. In Bezug auf das Leseverstehen von Hypertexten stellt sich die bange Frage, welche Ergebnisse hier zu erwarten gewesen wären. Andere diesbezügliche Untersuchungen zeigen, dass die Entnahme textlicher Informationen zugunsten multimedialer Ablenkungen allzu schnell aufgegeben wird.

... und die Schule

Will Schule einen kompetenten Umgang mit Hypertexten vermitteln, so setzt sie etwas voraus, was sie eigentlich erst herstellen muss: die o.g. selbstverantwortete, zielorientierte Positionierung des Lesers vor dem Text. In der Praxis kann das so aussehen: Eine Schülergruppe erhält einen Rechercheauftrag im Internet. Zum festgesetzten Termin erscheint ein Großteil der Schüler mit einem voluminösen Ausdruck unverstandener bis ungelesener Druckkonvolute.
Die reaktive Enttäuschung ist auf beiden Seiten groß. Die Schüler sind enttäuscht, da sie für ihre Anstrengungen nicht gelobt werden; der Lehrer ist es, weil er nicht versteht, was da eigentlich passiert ist. Er hat in seiner Ungewohntheit mit den (gar nicht mehr) neuen Medien die zu erwartende Überforderung nicht gesehen. Woher sollten die Schüler denn auch wissen, ob ein Hypertext ein guter Text ist - welcher Text im Thema weiterhilft - wieviele Texte denn genug sind - warum sie bei der Recherche bei welchem Text gelandet sind - was sie vom Lesen eigentlich abgelenkt hat - wieso die Recherche soviel Zeit gekostet hat - und - und - und?
Für die Schule heißt das, dass sie in Bezug auf die Vermittlung von Lesekompetenz bei Hypertexten nicht auf tradierte Verfahren setzen kann. Sie muss sich hier etwas Neues ausdenken, das ganz sicherlich etwas mit schülerorientierter Selbstorganisation und -verantwortung zu tun haben hat.

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